Sonett Zyklus V

Umwölkt mich Schlaf, auf Qual und Qual gebraut,
Stehst du entblösst vor eines Fremden Blicken.
Wenn geisterhaft der Kammer Uhren ticken,
Sieht ein Bezechter, der dich kaum erschaut,

Den blassen Schnee der Brust, das schwarze Haar
Und fasst mit feuchten Händen deine Hüfte
Und zerrt dich plumb in düstrer Wollust Grüfte,
Entehrtes Weib, das einst mir Venus war.

Kommt mir die Kunde, dass du eine Nacht
Mit deinem Schwelger schamlos hast verprasst,
Dann ist des Tages Helle mir vergällt

Und gramvoll wird die Schlafzeit dann durchwacht.
Und doch ist Trost, dass du gesündigt hast –
Weiss ich dann doch: fremd ist dir meine Welt

8.11.1948

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